Dienstag, 10. Mai 2011

Wenn der Zensus-Mann klingelt

Den folgenden Text habe ich für die Piratenpartei Baden-Württemberg geschrieben. Bis er offiziell auf den entsprechenden Seiten und als Flyer verfügbar ist, möchte ich ihn hier bereits als meine private Meinung veröffentlichen.

UPDATES:
  • Keine Ausweispflicht für Befragte
  • Folgen bei Abwesenheit
  • Portokosten bei Rücksendung (detaillierte Überlegungen, ganz unten)

Wenn der Zensus-Mann klingelt

Hat es Sie erwischt? Gehört Ihr Haushalt zu den 10 Prozent, die stichprobenartig durch einen persönlichen Fragebogen erfasst werden sollen? Wenn Sie sich jetzt fragen, wie Sie mit der Situation umgehen sollen, dann könnten Ihnen die Tipps der Piratenpartei weiterhelfen.

Warum könnte der Zensus 2011 problematisch sein?

Wir sind der Meinung, dass viele Fragen dem Staat mehr Information geben, als dieser unbedingt zur Volkszählung benötigt. Migrationshintergründe der Eltern, Religionszugehörigkeiten oder auch die Anzahl der Toiletten in Wohneigentum seien als (einige wenige) Beispiele genannt. Wir sind der Überzeugung, der Staat sollte sich im Sinne der Datensparsamkeit auf das beschränken, was zwingend erforderlich ist.

Gleichzeitig sehen wir die Daten als nicht ausreichend geschützt an. Die Erhebungsbeauftragten sind in den meisten Fällen keine behördlichen Mitarbeiter, sondern Privatpersonen. Sie erhalten mehr Geld von der Behörde, wenn sie die Fragen vor Ort beantwortet bekommen und den ausgefüllten Bogen mitnehmen können. Unter Umständen bleibt er dann mehrere Tage bei ihnen zu Hause liegen. Auch werden die Antworten viele Monate lang nicht anonymisiert. Erst nach der statistischen Auswertung, die sehr lange dauern wird, werden die personenbezogenen Informationen von den Antworten getrennt.

Kann ich mich dagegen wehren?

Wenn Sie sich an das Gesetz halten wollen, gibt es leider keine einfachen Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Sie können Widerspruch einlegen und einen „Eilantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung“ stellen. Wenn Sie solche Schritte erwägen, sollten Sie sich von einem Anwalt beraten lassen.

Wozu bin ich verpflichtet?

Wenn Sie keine Rechtsmittel einlegen wollen, kommen Sie um das Ausfüllen des Fragebogens nicht herum. Sie sind verpflichtet, den Bogen vollständig, wahrheitsgemäß und formgerecht – also gut leserlich in die richtigen Felder geschrieben – auszufüllen. Tun Sie das nicht, drohen hohe Buß- und Zwangsgelder. Daher müssen wir von einem echten „Volkszählungsboykott“ dringend abraten.

Wozu bin ich nicht verpflichtet, und worauf soll ich achten?

Es gibt einige Punkte, auf die Sie gut achten sollten. Außerdem haben Sie einige Optionen, die Sie wahrnehmen können.

1) Stellen Sie sicher, dass die Person an Ihrer Tür wirklich der Erhebungsbeauftragte ist. Lassen Sie sich den Zensus-Ausweis sowie den Personalausweis mit Lichtbild zeigen. Wenn Sie unsicher sind, rufen Sie bei der für Sie zuständigen Erhebungsstelle an und lassen Sie sich den Namen auf dem Personalausweis bestätigen. Hierbei ist auch wichtig, daß der Erhebungsbeauftragte im Gegensatz zu Ihnen nicht das Recht hat, Ihren Personalausweis zu kontrollieren. Dies kann nur von Polizei oder Staatsanwaltschaft verlangt werden.

2) Sie müssen den Erhebungsbeauftragten nicht in Ihre Wohnung lassen, wenn Sie das nicht möchten. Ein sogenanntes Wohnungsbetretungsrecht gibt es für diese Personen nicht.

3) Sie müssen dem Erhebungsbeauftragten an der Haustüre auf Nachfrage nur maximal die folgenden Informationen geben:

  • Ihren Namen und das Geschlecht,
  • das Geburtsdatum,
  • die Lage der Wohnung im Gebäude und
  • die Anzahl der Personen im Haushalt.

Diese Informationen müssen für jede Person im Haushalt beantwortet werden, aber das kann auch eine Person für alle anderen erledigen.

4) Die Beantwortung der Frage nach der Glaubensrichtung ist freiwillig. Das heißt, Sie müssen sie nicht beantworten, wenn Sie das nicht wollen. Es handelt sich hierbei um die Frage Nummer 8, sie ist auch auf dem Bogen deutlich als freiwillig gekennzeichnet.

5) Sie müssen die weiteren Fragen weder dem Erhebungsbeauftragten mündlich beantworten, noch müssen Sie den Fragebogen zusammen mit ihm ausfüllen. Sie können den Fragebogen alleine ausfüllen und ihn selbst per Post an die Behörden schicken. Dazu müssen Sie den Umschlag ausreichend frankieren. Auf diesem Wege bekommt Ihr Erhebungsbeauftragter keine Möglichkeit, an Ihre sensiblen persönlichen Informationen zu gelangen. Wie eingangs erwähnt, bekommt dieser mehr Geld, wenn er den Bogen bekommt. Lassen Sie sich deshalb zu nichts überreden, was Sie nicht wirklich wollen.

Sie können den Fragebogen auch online über das Internet ausfüllen, jedoch können wir die Sicherheit dieses Weges nicht beurteilen und raten daher davon ab.

Was sollte ich nicht tun?

Wie anfangs schon erwähnt, können wir nicht empfehlen, falsche oder unleserliche Angaben zu machen oder die Antworten nicht in der gewünschten Form in den Fragebogen einzutragen. Ihre Antworten werden mit vielen Datenbanken der Behörden abgeglichen, und falsche oder nicht plausible Antworten können unter Umständen recht einfach entdeckt werden. Laut Gesetz sind dafür Bußgelder in einer Höhe von bis zu 5000 € möglich. Diese werden aufgrund der Verhältnismäßigkeit wahrscheinlich nie in vollem Umfang verhängt, jedoch ist auch der häufiger genannte, wohl realistischere Betrag von 300 € recht hoch. Die Zahlung des Bußgeldes befreit nicht von der Pflicht zur Beantwortung, und es ist sogar eine Verhängung von Zwangsgeldern möglich. Wir nehmen an, dass diese auch ausnahmslos durchgesetzt werden könnten.

Eine Abwesenheit entbindet Sie auch nicht von der Beantwortungspflicht. Für den Fall, daß sie nicht zu Hause sind, sollten Sie den Erhebungsbeauftragten anrufen, dessen Nummer Sie auf der Benachrichtigungskarte finden, und sollten einen neuen Termin ausmachen. Trifft der Volkszähler Sie zweimal nicht an, wird die Erhebungsstelle informiert, welche dann zu rechtlichen Schritten greift, genau wie bei einer Weigerung.

Unser wichtigster Hinweis zum Schluss:

Informieren Sie sich aus verschiedenen Quellen, wägen Sie die Informationen ab und entscheiden Sie sich für die Vorgehensweise, die Ihnen persönlich als beste erscheint.

Weitere kritische Informationen hat die Kampagne „Volkszählung 2011“ unter http://www.zensus11.de zusammengetragen.



Quellen und weitere Links zum Thema:

Offizielle Seite des statistischen Bundesamtes zum Zensus 2011:
http://www.zensus2011.de

Musterfragebogen zur Haushaltebefragung (PDF):
http://www.zensus2011.de/fileadmin/material/pdf/fragebogen/Fragebogen_Haushaltebefragung_20101007a.pdf

Informationen der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf:
http://www.ferner-alsdorf.de/2011/03/mikrozensus-2011-volkszaehlung-zensus-fragebogen/

Kampagne „Volkszählung 2011“
http://www.zensus11.de


UPDATE wegen Portofrage

Die Ausführeungen von Udo Vetter im Law Blog beziehen sich nur auf Empfänger des orangenen Bogens, das sind Wohnungs- und Grundstückseigentümer. Diese Bögen werden nur per Post verschickt, daher will der Staat auch diesen Befragten eine kostenlose Möglichkeit der Beantwortung anbieten. Haushaltsbefragungen haben diese Möglichkeit ja bereits, da der Bogen online ausgefüllt werden oder den Beauftragten mitgegeben werden könnte.

Laut Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf (siehe Link oben) ist es bei diesen gesetzlich vorgeschrieben, den Rückumschlag ausreichend zu frankieren. Es ist dabei korrekt, daß es laut dem Zensusgesetz keine Ordnungswidrigkeit darstellt, wenn man das nicht tut.

Meiner Auffassung nach birgt es dennoch eine Gefahr, deren Wahrscheinlichkeit zwar gering ist, aber die Auswirkungen groß wären: Ich vermute, man kann das Fehlen der Briefmarke mit nur wenig Phantasie so auslegen, daß die Antwort nicht formgerecht erfolgt ist. Das wiederum ist ordnungswidrig. Das Ergebnis könnte im schlimmsten Fall sein, daß die Antwort nicht akzeptiert wird, und die gesamte Bußgeldmaschinerie angeworfen wird, als hätte man den Fragebogen durch den Schredder gejagt.

Die paar Cent sind meiner Meinung nach die Gefahr nicht wert. Wer dennoch etwas Geld sparen will, nimmt nicht den mitgelieferten Rückumschlag, sondern einen normalen DIN lang Umschlag, somit sinken die Portokosten von 1,45 € auf 0,90 €.